Erinnerung ist das Geheimnis der Versöhnung -
Projektfahrt nach Auschwitz und Krakau im Herbst 1999

Inhalt:


AUSCHWITZ II - BIRKENAU

Selbst vom Turm aus ist es beinahe unmöglich, das gesamte Lager zu überblicken: 175 ha ...
Baracken in Reih' und Glied, in jeder Baracke 700 Häftlinge oder ab und zu sogar noch mehr. Das wäre unsere Schule ... - insgesamt sind es über 300 Baracken, also 300 Schulen; 100.000 Häftlinge.
Hier in Birkenau enden die (von anderen Häftlingen gelegten) Bahngleise - Endstation.
Gleich auf der Bahnrampe wurde selektiert: Arbeitsunfähige, d.h. Kranke, Alte, Schwache und Kinder kommen gleich in die Gaskammern, der Rest darf noch solange leben wie er arbeiten kann.

Wir beschreiten das Gelände; es ist unvorstellbar, was hier vor knapp 60 Jahren geschehen ist.
Jetzt steht zwischen den Baracken Gras, die Luft ist nebelig, ab und an stehen ordentliche Informationstafeln - es kommt mir vor, als habe die Zeit die Spuren verwischt; es ist beinahe friedlich.
Uns wird eine der Baracken von Innen gezeigt: Auf jeder der Pritschen schliefen 4 bis 6 Menschen.
In der Waschbaracke ist eine lange Rinne für das Notwendigste. Doch sie war für zu viele Menschen, die Zeit war zu knapp und es mangelte an Wasser. Selbst die Latrinen durften nur einmal am Tag, morgens, für 2 Minuten benutzt werden. Andernfalls kam der Oberhäftling und schlug mit dem Stock auf diese Leute ein. Diese Leute, die die gleiche Herkunft hatten...
Bevorzugt waren diejenigen, die in Kanada arbeiten oder im Lagerorchester spielen durften: Zwar unter Gefahren aber immerhin bestand in Kanada die Möglichkeit heimlich Waren einzustecken (in Kanada wurden die Dinge sortiert, die den ermordeten Häftlingen abgenommen worden waren); und bei besonderen Anlässen bekamen die Musikanten etwas extra.
Das heißt jedoch nicht, dass den Häftlingen in diesen Bereichen ein besseres Schicksal sicher war. Es herrschte zum Großteil Willkür: ein von Häftlingen heimlich angefertigtes Wandgemälde wurde z.B. übersehen oder toleriert, andererseits gab es aber auch Strafen für Kleinigkeiten.
Gerade diese Willkür sorgte für Hoffnungslosigkeit, man konnte jede Minute sterben, es gab kein Zeitlimit für diese Tortur.

Wir kommen bei einem der insgesamt 5 Krematorien an - Krematorium II. Nur noch Ruinen. Vertuschungsversuch der Greueltaten bei Ende des Krieges.
Hier mussten sich die Häftlinge entkleiden, hier wurden sie vergast und verbrannt.
Nach dem Tod wurde der Körper noch weiter ausgebeutet: die Haare wurden zur Deckenherstellung verwendet, das Zahngold wurde herausgebrochen - alles eine Aufgabe der Häftlinge.
Die relativ geringe Anzahl der Krematorien zeugt von der rationellen Planung durch die SS-Männer.
Die Asche wurde auf der Wiese verstreut; noch heute sind Knochensplitter und Asche zu sehen.
Ich muss mir immer wieder klarmachen, dass das echte Knochen von echten Menschen sind. Menschen, die wirklich einmal gelebt haben. ...ich kann es mir nicht vorstellen.

Wir gehen weiter und kommen zum Königsgraben, dort ist 7 Menschen die Flucht gelungen - über 300 mussten als Vergeltung und zur Abschreckung dafür ihr Leben lassen.

Weiter hinten liegt die Wiese, auf der massenhaft Leichen verbrannt wurden. Auch hier ist wieder Asche zu sehen.
Vor ein paar Jahren waren auf dieser Wiese Kreuze und Davidssterne aufgestellt. Sie mussten aber wegen eines Konflikts der beiden Religionen entfernt werden.
Schade - aus Auschwitz hätte man mehr lernen sollen.
Was noch erschreckend war, ist die Tatsache, dass in manchen Baracken Hakenkreuze und SS-Zeichen in die Wände geritzt sind.
Dies zeigt, dass der Erhalt des Geländes auch noch für unsere Generation notwendig ist, obwohl wir nicht in direktem Zusammenhang mit diesen Morden stehen.

Am Ende der Führung, beim Ausgang, steht eine Gruppe jugendlicher Israelis mit Flaggen in den Händen - demonstrativ. Wieso? Sind wir immer noch die Schuldigen? Sind die anderen immer noch nur die Opfer?
Unbewusst steigt ein Schuldgefühl in mir auf, ich fühle mich unsicher und frage mich auch, wieviel schwerer es noch ist, hierher zu kommen, wenn hier eigene Bekannte umgebracht wurden.
Ich hoffe, dass dieser Ort seine jetzige Rolle als Mahnmal erfüllen wird.

"Dieser Ort sei allerzeit ein Aufschrei der Verzweiflung und Mahnung an die Menschheit. Hier ermordeten die Nazis etwa anderthalb Millionen Männer, Frauen und Kinder. Die meisten waren Juden aus verschiedenen Ländern Europas."
Auschwitz - Birkenau 1940 - 1945

Jana Göttsching



© 1999-2000 Projektgruppe Auschwitz