Erinnerung ist das Geheimnis der Versöhnung -
Projektfahrt nach Auschwitz und Krakau im Herbst 1999

Inhalt:


Die IG Farben und das KZ Monowitz

Die Interessengemeinschaft (IG) Farben war ein Zusammenschluß von mehreren Firmen, darunter die heutigen Chemieriesen AGFA, BASF, Beyer und Hoechst. Während des 2. Weltkriegs machte die IG Riesengewinne. Neben der Buna- (synthetischer Kautschuk) und Treibstoffproduktion wurde auch das Giftgas Cyclon B hergestellt, mit dem in den Vernichtungslagern mehrere Millionen Juden vergast wurden. Außerdem wurden medizinische Präparate der IG an Häftlingen von Konzentrationslagern "getestet".
In den Betrieben der IG arbeiteten 350.000 Zwangsarbeiter, von denen viele durch die schweren Arbeitsbedingungen und mangelnde Verpflegung umkamen.

1941 beschloß die IG Farben ein Werk für die Produktion von Buna und Treibstoff in der Nähe der polnischen Stadt Oswiecim (Auschwitz) zu errichten. Die in den betroffenen Dörfern, unter anderem Monowitz, ansässige polnische Bevölkerung wurde umgesiedelt. Zum Aufbau der Fabrik wurden Häftlinge des KZ Auschwitz I (Stammlager) eingesetzt. Die SS übernahm die Bewachung der Baustelle, die in den Sicherheitsbereich um das Lager Auschwitz eingegliedert wurde.

"Die Häftlinge wurden von den Kapos sowie von den Vorarbeitern und Aufsehern der IG in unmenschlicher Art und Weise zur Arbeit angetrieben. Es gab keine Gnade. Prügel, Mißhandlungen der schlimmsten Art und sogar direkte Tötungen waren an der Tagesordnung.
Das mörderische Abeitstempo führte zum Tod vieler Häftlinge, die während der Arbeit plötzlich zusammenbrachen, blau anliefen, nach Luft schnappten und wie Vieh verendeten ...
Es kam oft vor, daß Arbeitsgruppen von 400 bis 500 Leuten am Abend fünf bis zwanzig Leichen mit sich zurückbrachten."
So beschrieb Rudolf Vitek, ehemaliger Häftling des KZ Monowitz, die Arbeitsbedingungen bei den IG Farben. Mit dem Lager Monowitz verfügte die IG Farben direkt bei ihrem Betrieb ab 1942 über ein eigenes KZ, in dem 10.000 Häftlinge untergebracht waren. Während der drei Jahre des Bestehens kamen hier über 35.000 Häftlinge um.
Die IG Farben waren für Verpflegung und Unterbringung verantwortlich, wobei in einem Block für 162 Häftlinge 400 Personen untergebracht wurden. Die Verpflegung war völlig unzulänglich. "Das Gewicht einiger Häftlinge ging auf 35kg bis 44kg herunter, das durchschnittliche Gewicht lag um 55 kg." (Arnest Tauber)
Dies führte bei der verlangten Arbeit zum Tod vieler Häftlinge. Weitere Häftlinge erfroren oder starben durch fehlende Schutzkleidung und ungenügende Sicherheitsvorkehrungen bei Werksunfällen.
Bei zu geringer Arbeitsleistung wurden die Häftlinge bestraft und nicht nur die SS Aufseher, sondern auch Vorarbeiter und Meister der IG mißhandelten die Häftlinge. Kranke durften nicht länger als zwei Wochen im Krankenbau des KZ bleiben. Nicht mehr einsatzfähige Häftlinge wurden, auf Veranlassung der IG Farben, vergast.
So setzte die IG Farben nicht nur KZ Häftlinge als Arbeitskräfte ein, sondern ihre Mitarbeiter mißhandelten diese, veranlaßten deren Bestrafung und Vergasung und entschieden über deren Arbeits- und Unterbringungsbedingungen. Die Firmenleitung war hierüber bestens informiert.
Zum KZ Monowitz gehörten auch noch fast 40 Außenlager, in denen weitere 25.000 Häftlinge untergebracht waren.

Inzwischen befinden sich die IG Farben seit über fünfzig Jahren in Auflösung, ohne die Forderungen der ehemaligen ZwangsarbeiterInnen auf eine materielle Entschädigung anzuerkennen. Stattdessen spekulieren sie mit dem Kapital und zahlen den Gewinn jährlich an die Aktionäre aus. Nach der deutsch-deutschen Vereinigung 1990 witterten die "IG Farben in Auflösung" (Rechtsnachfolger der IG Farben) Morgenluft: sie hofften nun auf die Rückgabe von Immobilien und Grundstücken, die in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone völlig zu recht enteignet wurden. Nachdem jedoch alle Bemühungen scheiterten, Vermögen aus Osteuropa zurückzubekommen, startet die IG Farben in Auflösung - unermüdlich im Aufspüren alter Nazi-Besizttümer - einen neuen Versuch, ehemaliges Vermögen im Wert von 4,4 Milliarden von der Schweizer Bank zurückzufordern. Mit der gleichzeitigen Ankündigung einer Stiftung zur Aufarbeitung der Firmengeschichte und zur Entschädigung ehemaliger ZwangsarbeiterInnen setzen sie damit ihre Verzögerungstaktik fort, bis auch die letzten überlebenden gestorben sind. Denn zynischerweise wird die Einrichtung der Entschädigungsstiftung nun ausgerechnet an den Erfolg dieser dubiosen Transaktion geknüpft: das Vermögen einer Schweizer Tochterfirma der IG Farben, die bei der Entflechtung des Konzerns nach 1945 enteignet und aufgelöst worden war, wird jetzt von dem Blutkonzern zurückgefordert. Vom Gesamtkapital der IG Farben in Auflösung, das sich dann auf weit mehr als 5 Milliarden DM belaufen würde, sollen jedoch die berechtigten Ansprüche ehemaliger ZwangsarbeiterInnen mit nur wenigen Millionen abgeschmettert werden.

Jonas Lähnemann



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