Jonas Lähnemann
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Tansania und Nairobi
Nairobi, den 15.2.2004

Liebe Freunde, Verwandte und Bekannte,

die Zeit verfliegt so schnell und nachdem ich kaum jemandem von meiner Neujahrsreise nach Tansania erzaehlt habe und dies immer auf die naechste Rundmail verschoben habe, ist es langsam wieder an der Zeit sich zu melden. Weil es so viel geworden ist habe ich zwei "Kapitel" gemacht: Tansania und Nairobi.

Tansania:
Nach den ruhigen Weihnachtsfeiertagen in Nairobi bin ich am 28. Dezember mit dem Bus 17 oder 18 Stunden gefahren um nach Dar Es Salaam zu kommen, wo ich erst mitten in der Nacht ankam. Nachdem ich erst kurz vorher auf dem Mount Kenia gewesen war und Nairobi auf 1700 Hoehenmetern liegt, war es dort an der Kueste doch ganz schoen heiss. Nachdem ich mir am ersten Tag die Innenstadt und das Nationalmuseum (die Museen hier in Ostafrika sind immer ganz nett, aber man koennte so viel mehr daraus machen, wenn man sie etwas aufpoliert; manche Vitrinen scheinen seit kurz nach der Unabhaengigkeit nicht wieder geaendert worden zu sein) angesehen habe, bin ich am naechsten Tag schon ins 200 Kilometer westlich im Land gelegene Morogoro gefahren. Dort blieb ich zwei Naechte um eine herrliche Wanderung zu machen. Ohne mir einen Fuehrer zu nehmen bin ich die Haenge der Uluburu Berge hochgewandert. Die Sicht auf die Stadt in der Ebene war toll und auch wenn Wolken den Ausblick truebten, war es so wenigstens nicht zu heiss. Entlang des Weges waren mehrere kleine Doerfer mit den traditionellen Lehmhuetten und entlang der gruenen Haenge, besonders aber in den Taelern mit Baechen, erstreckten sich die Shambas (Felder/Gaerten), vor allem mit Mais und Bananen. In Morogoro selber war es weitaus trockener und staubig. Ich ging bis zu dem Punkt wo die Felder in einen dichten Wald uebergehen. Etwas unterhalb davon steht eine Huette aus der deutschen Kolonialzeit, die Morningside Hut. Nicht nur hier hatten sich die Kolonialherren einen idyllischen Platz ausgesucht.
In Morogoro hatte ich auch einen netten jungen Mann im Sammeltaxi getroffen, der mir ein Hotel gezeigt hat, woraufhin wir uns noch laenger sehr nett unterhalten haben. Am naechsten Tag hat er mich mit zu sich nach Hause genommen: ein einzelnes Zimmer mit nur einer Matratze, Moskitonetz, Klamotten und ein paar Kleinigkeiten. Er ist erst vor ein paar Tagen von Dar Es Salaam dorthin gezogen und hatte noch keine Arbeit, doch er, seine Frau und der kleine Sohn schienen sehr optimistisch und lebensfroh - dies war eine sehr schoene Erfahrungen, wenn man als Tourist oft nur angebettelt und uebers Ohr gehauen wird oder einem von der wirtschaftlich schlechten Situation des Landes vorgejammert wird.
Von Morogoro bin ich an Silvester in das noerdlich von Dar Es Salaam gelegene Bagamayo gefahren. Diese Kuestenstadt war einst ein wichtiger Handelshafen und fuer ein paar Jahre der Sitz der deutschen Kolonialverwaltung. Heutzutage ist von den historischen Gebaeuden viel verfallen und die Stadt ist eher verschlafen. Die Strandlage ist toll, aber die meisten Besucher gehen auch in ein Hotel direkt am Strand. Ich habe mich hier fuer den Jahreswechsel mit Studenten aus Nairobi und Dar Es Salaam getroffen. Unser Hotel war leider nicht am Strand, aber dort haben wir einen Teil unseres Abends verbracht. Mit einem Teil der Studenten habe ich dann noch die naechsten beiden Tage in Bagamoyo und Dar Es Salaam verbracht und dort ein paar Kneipen abseits der Touristenstroeme besucht.
Sansibar musste dann trotz der vielen Touristen besucht werden und wenn auch fuer die Region vergleichsweise teuer, hatte ich hier fuenf sehr schoene Tage. Erst war ich fuer zwei Naechte in Stonetown, der Altstadt von Zanzibar Town und habe es genossen mich mit voller Absicht in den kleinen Gassen zu verlaufen ohne ueberhaupt zu versuchen einen Ueberblick zu behalten wo ich langging, um immer wieder neue Ecken zu entdecken. So konnte ich auch den vielen anderen Touristen ein wenig aus dem Weg gehen. Es ist Lamu in Kenia sehr aehnlich, aber groesser und damit auch touristischer. Fuer drei Naechte war ich danach an der Ostkueste und habe in einem netten kleinen Hotel, bestehend aus Huetten, ausgespannt. Hier habe ich nur Leute getroffen, die auch etwas laenger in Afrika waren (u.a. zwei Franzosen, die von Kapstadt nach Kairo radeln) und hatte so neben Strandspaziergaengen, Baden und Lesen auch einige interessante Unterhaltungen. Ein Freund der Besitzer hatte in Deutschland studiert und gearbeitet, ehe er vor kurzem zurueckkam.
Entlang des Strandes reihten sich teilweise die Hotels wirklich aneinander, manche mit allem erdenklichen Luxus, waehrend die Dorfbewohner nebenan noch Subsistenzwirtschaft betreiben, denn vom Tourismus kassiert zwar die Regierung einiges, aber das meiste Geld landet ja doch bei den Investoren der groesseren und teureren Hotels und Restaurants.
Vor meiner Rueckkehr aufs Festland mit der langsamen Nachtfaehre konnte ich es dann auch nicht lassen noch eine Spice-Tour mitzumachen. Auch wenn ich es eigentlich verabscheue in einem Bus mit anderen Touristen rumgekarrt zu werden, war es dann doch sehr interessant verschiedene der Gewuerze, die ich ja so liebe seit ich in den USA eine indische Gastfamilie hatte, einmal wachsen zu sehen. Sansibar exportiert zwar eigentlich nur noch Nelken, aber fuer die Touristen werden natuerlich noch alle moeglichen anderen Pflanzen zur Praesentation und zum Verkauf angebaut.
Bevor ich wieder zur Uni nach Nairobi fuhr habe ich noch einen Tag in Lushoto in den Usambara Bergen verbracht. Auch dieser Ort hat eine deutsche Kolonialgeschichte, was dazu fuehrte dass ich auf einer Farm ausserhalb der Kleinstadt guten Kaese und gutes Brot bekam (was fuer Kleinigkeiten einem nach ein paar Monaten doch solche Freude bereiten). Lushoto liegt wirklich idyllisch in den Bergen und ich habe einen sehr netten Guide angeheuert um mich auf eine Wanderung durch den Wald, die Doerfer und ueber die Berge der Umgebung zu fuehren - dabei habe ich auch mehrere Chamaeleons gesehen und viele Fotos gemacht.

In Tansania ist es wie in Kenia, wenn man aus den Bereichen der Nationalparks (die ich aus Kostengruenden uebersprungen habe) und Kueste wegkommt, wo sich die meisten Touristen aufhalten, trifft man nur noch auf wenige Reisende. Tourismus ist ein wichtiger Faktor, aber die Leute kommen nur fuer die Tiere und die Straende und alles komplett organisiert und zu besten Standards. Man hat auch hier kein Problem Hotels zu finden in denen man mehrere hundert Dollar pro Nacht los wird.


Nairobi:
Die vergangenen Wochen habe ich jetzt nur in Nairobi verbracht. Obwohl ich nicht so viele Vorlesungen besuche, fanden sich immer genug Beschaeftigungen.
Vorletzten Samstag war ich mit Jimmy in Eastleigh, dem Stadtteil aus dem er kommt. Es ist ein Stadtteil, den man vielleicht im amerikanischen Sinne des Wortes als Ghetto bezeichnen koennte. Nicht die beste Wohngegend, aber kein Slum. In Begleitung von Jimmy fuehlt man sich da auch nicht fehl am Platze, denn er kennt so viele Leute. Die Matatus (Kleinbusse) dorthin waren bunter gestaltet als andere und unter den besten, die ich hier erlebt habe, was die Fahrer aber auch mit ihrem Fahrstil ausgenutzt haben - bei lautem Reggae oder HipHop aus dem Radio wird jede Verkehrsluecke ausgenutzt und der Schaffner haengt manchmal aus der offenen Seitentuer um nach weiteren Fahrgaesten Ausschau zu halten oder weil alle Sitzplaetze belegt sind. Bei strahlendem Sonnenschein sind wir dann durch die Strassen dieses Stadtteils spaziert, der von mehrstoeckigen Wohnhaeusern dominiert ist. Die meisten Strassen sind nicht geteert. Schon ein Gegensatz zu den Villa-Wohngegenden oder den Buerovierteln. Hier wurde mir auch viel weniger und vor allem weniger aufdringliche Aufmerksamkeit zuteil als in der Innenstadt. Das Fluesschen, dass schon auf dem Campus nicht sehr sauber ist, kommt nach dem Durchqueren der Stadt nur noch als dunkle, schimmernde und stinkende Bruehe an. Wir waren dann noch in einem kleinen Slum aus Lehmhuetten, wie auf dem Dorf, nur viel viel enger zusammen - ohne Gaerten und Felder in der Umgebung. Kommunale Sanitaetseinrichtungen wurden durch Foerdermittel errichtet. Wenn aber erstmal Regen die Wege aufweicht sieht es sicher nochmal anders aus.

An der Uni habe ich inzwischen eine sehr gute Vorlesung, die sehr viel Spass macht. Ein indischer Professor hat extra auf unseren Wunsch eine Vorlesung zu Elementarteilchen angeboten, die jetzt auch von einigen anderen Studenten besucht wird. Sie wird sich auch ins naechste Semester hinein erstrecken und irgendwann in eine Vorlesung zu Allgemeiner Relativitaetstheorie uebergehen. Prof. Barve erklaert so gut und verstaendlich wie kaum ein Professor in Deutschland - man merkt seine eigene Begeisterung fuer das Thema - und er gibt sich sehr viel Muehe, dass wir auch mitkommen.
Die anderen beiden Vorlesungen, die ich noch hin und wieder besuche sind zwar nicht so schlecht wie einige der Veranstaltungen, die ich gleich aufgegeben habe. Der Stil der Vorlesungen ist aber auch nicht so, dass er zum starken Engagement motiviert (wobei man das in Deutschland auch oft genug hat).
Im Aufbau der Lehrveranstaltungen gibt es keine Tutorien wie in Deutschland (die hat man sich aber angeblich erst vor ein paar Jahren gespart) und es liegt ganz am Dozenten wie oft er Aufgaben ausgibt und ob er sie ueberhaupt vor- und nachbespricht. Dafuer sorgen zwei Tests im Semester (statt ordentlich verteilt, aber meist erst in den letzten Wochen) fuer Leistungsdruck auch vor den Examen. Insgesamt ist es hier etwas verschulter als eine deutsche Uni, was ich auch mehr oder weniger so erwartet habe. So lernt man wenigstens einige Zuege des deutschen Systems mehr zu schaetzen - bleibt zu hoffen, dass davon bei der BA/MA Einfuehrung und anderen Reformen nicht so viel verloren geht. Die Studenten scheinen auch aus der Schule eher an Auswendiglernen gewoehnt zu sein, hinzu kommt, dass viele nicht ihr Wunschfach studieren. Trotzdem sind sie recht motiviert, denn es ist hier natuerlich viel mehr ein Privileg zu studieren und bietet Hoffnungen fuer die Zukunft.
Die Vorlesungen sind auch von einer ziemlichen Desorganisiertheit, was den Rahmen angeht, gepraegt. Hier scheint jede Vorlesung ein paar mal umgelegt zu werden und da kann es dann dazu kommen, dass zu der neuen Zeit ja gar kein freier Raum zu finden ist und die Stunde ausfaellt, oder dass die grossen Vorlesungen immer abwechselnd in verschiedenen Raeumen stattfinden und jedes mal Stuehle aus den anderen Raeumen geholt werden muessen.
Die langsame Buerokratie ist fuer vieles, was die Arbeit erschwert, mitverantwortlich. Denn selbst wo Geld vorhanden ist wird die Anschaffung verzoegert. In den Bibliotheken sind recht wenig neuere Buecher, es gibt einen Online-Katalog, aber keine Rechner um auf diesen zuzugreifen und wissenschaftliche Zeitschriften gibt es in der Printversionen meist nur welche aus vergangenen Jahrzehnten (dafuer dort teilweise ganze Reihen auf deutsch!, aus Zeiten als es noch Wissenschaftssprache war). Der Computerpool des Departments koennte auch ein paar mehr und vor allem neuere Rechner gebrauchen (erstaunlich wie oft die ausfallen, obwohl es mehrere Techniker gibt). Alex Ogacho, der das letzte Jahr als Austauschstudent seine Doktorarbeit in Berlin begonnen hat und jetzt hier weitermacht, verwendet seit einem halben Jahr einige Zeit darauf sein Proposal fuer die Doktorarbeit anerkannt zu bekommen, indem er irgendwelchen Briefen nachrennt, die trotz regelmaessigen Nachfragen (wenn die Person gerade auffindbar ist) nicht geschrieben werden.
Ich habe im letzten Monat auch angefangen fuer mein Forschungsprojekt Literatur rauszusuchen und zu lesen. Wenn die Internetverbindungen nicht so gut sind, ist es aber auch nicht einfach online an Zeitschriftenartikel zu kommen, da merkt man erst wie praktisch das bei uns in Deutschland an der Uni so ist.
Ausserdem habe ich mein Kiswahili-Lernen etwas intensiviert um Grundlagen zu legen und dann ein wenig und mehr Konversation zu ermoeglichen, nur leider ist das mit dem Ueben etwas schwierig, wo alle anderen Studenten so gut englisch sprechen, dass man meist recht schnell wieder die Sprache wechselt.

Herzliche Gruesse aus Nairobi,
Euer Jonas

PS: Fotos aus Tansania

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